Cannabis-Klubs als Lösung?

Pragmatische Projekte in der Drogenpolitikverlangen juristische Flexibilität. Von Martin Büechi, Suchtexperte

Martin Büechi, Suchtexperte
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Die Mittel, die für die Verfolgung von Kiffern benötigt werden, könnte man sinnvoller einsetzen. (Bild: Martin Ruetschi / Keystone)

Die Mittel, die für die Verfolgung von Kiffern benötigt werden, könnte man sinnvoller einsetzen. (Bild: Martin Ruetschi / Keystone)

Derzeit werden im Kanton Genf konkrete Projekte für Cannabis-Klubs erörtert. Es stellt sich die Frage, wie solche Konzepte unter dem geltenden Betäubungsmittelgesetz (BetmG) realisiert werden können. Zur Erinnerung: 2001 hatte der Bundesrat eine Revision des BetmG vorgeschlagen. Gemäss diesem Revisionsvorschlag wäre Cannabis zwar eine verbotene Substanz geblieben, trotzdem wäre es möglich gewesen, Cannabis anzubauen und zu verkaufen (das Konsumverbot wäre mit der Revision aufgehoben worden). Möglich gemacht hätte dies die Einführung des Opportunitätsprinzips: Der Bundesrat wollte Prioritäten bei der Strafverfolgung festlegen. Die Revision ist 2004 im Parlament gescheitert.

Ob im Bereich der Strafverfolgung in den Kantonen das Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip gilt, wird durch das kantonale Recht entschieden. Die Kantone wenden in der ihnen übertragenen Umsetzung von Bundesstrafrecht kantonale Verfahren an und können dabei entscheiden, ob sie auf die Opportunität zugreifen. Die Polizei muss sich zwar an das Legalitätsprinzip halten, kann das aus Ressourcenmangel aber oft nicht tun und wendet so – ungewollt oder aufgrund von Instruktionen – das Opportunitätsprinzip an.

Heute gibt es in der Schweiz einen mehr oder weniger breiten politischen Konsens, dass die Verfolgung von Cannabis-Konsumenten nicht zu viele Ressourcen kosten darf, die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden könnten. Das Parlament hat darum das Bussensystem beim Cannabis-Konsum eingeführt: eine halbherzige und bürokratische Lösung, die nicht wirklich befriedigt und wiederum zu einer ungleichen Verfolgung in den Kantonen führen kann.

Um Lösungen zu finden, lohnt es sich, einen Blick über die Grenzen zu werfen. Cannabis ist – anders als oft vermittelt – in den USA immer noch eine verbotene Substanz. Zwei Gliedstaaten weigern sich nun aber, Bundesrecht anzuwenden, indem sie den Anbau, den Verkauf und den Konsum mit eigenen Gesetzen als «legal» erklären. Das widerspricht Bundesrecht, und das Department of Justice müsste diese Gesetzgebungen in den beiden Staaten Colorado und Washington eigentlich als mit dem Bundesrecht unvereinbar erklären. Es tut das bewusst nicht, sondern wartet ab und will die weitere Entwicklung verfolgen.

Eine ähnliche Lösung wäre auch in der Schweiz denkbar. So könnte das Cannabis-Klub-Pilotprojekt im Kanton Genf vom Bundesrat toleriert und sogar wissenschaftlich begleitet werden. Im Kanton Genf besteht zurzeit ein grosser politischer Konsens für politisch pragmatische Lösungen in der Drogenpolitik. In Anbetracht der begrenzten polizeilichen Ressourcen werden sinnvollerweise die Prioritäten anders gesetzt, als es die strikte Anwendung des BetmG verlangen würde. Ziel eines Pilotprojektes in Genf könnte somit sein, Lösungsvorschläge aufzuzeigen, die im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung unter Ausnützung des Opportunitätsprinzips anwendbar wären.

Meines Wissens gibt es keine Bestimmungen im Bundesrecht, welche die Anwendung des Opportunitätsprinzips in diesem Kontext ausschliessen würden. Mittelfristig müsste aber eine Revision des BetmG in Betracht gezogen werden. Sechs Jahre nach der Ablehnung der Cannabis-Initiative ist es sicher legitim, sich Gedanken über eine zukünftige Revision des BetmG zu machen.

Bei der Durchführung eines Pilotprojektes wie des geplanten «Cannabis-Klubs» in Genf bedarf es somit der Unterstützung aus Bern im Sinne einer «Tolerierung». Mehr ist angesichts der bestehenden Gesetzgebung auch gar nicht möglich. Schon die Tolerierung aber verlangt von den Bundesbehörden ein gewisses Mass an «juristischer Flexibilität». Die Schweiz würde dadurch noch lange nicht zur Bananenrepublik.

Auf der anderen Seite müssten aber auch die Protagonisten eines pragmatischeren Umgangs mit Cannabis ihre Projekte nicht mit allen möglichen und unmöglichen Forderungen überladen – wie das etwa bei der abgelehnten Cannabis-Initiative 2008 der Fall war. Politischer Pragmatismus und Bescheidenheit in den Forderungen sind auf beiden Seiten gefragt, sonst wird wieder ein «window of opportunities» in der Drogenpolitik zugeschlagen.

Martin Büechi war von 1996 bis 2012 im Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit der Revision des BetmG und mit der Suchtforschung betraut.

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